Cottbus (ots) – Ein Satz der Bundeskanzlerin aus dem zu Ende gehenden Jahr dürfte vielen in Erinnerung bleiben. Schon weil er entgegen ihrer ausgleichenden Art so absolut und provokant klingt: “Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung”, hat Angela Merkel gleich mehrfach gesagt. Da lässt der heraufziehende Wahlkampf grüßen. Denn an diesen Worten stimmt eigentlich nur, dass es eine Wiedervereinigung gab. Weder handelt es sich um eine funktionierende Bundesregierung, also eine harmonisch arbeitende Koalition. Noch ist sie erfolgreich. 2012 war zumindest auf dem Feld der Innenpolitik, das Merkel hier meinte, ein vertändeltes Jahr. Wer das als billige Polemik abtut, der sollte sich der zahlreichen Baustellen erinnern, auf denen Schwarz-Gelb gewerkelt hat – und derer sich künftige Regierungen werden annehmen müssen, weil wenig vorangekommen ist. Die groß angepriesene Reform der Renten für Niedrigverdiener ist in den unterschiedlichen Interessen von Union und FDP versandet. Die Pflegereform wurde zu einem Reförmchen degradiert. Eine Bildungsreform wurde gar nicht erst angegangen. Und die auch in der Union erhobene Forderung nach flächendeckenden Mindestlöhnen löste sich in Luft auf. Dafür hat die Koalition unter Preisgabe ihrer eigenen familienpolitischen Grundsätze ein Betreuungsgeld auf den Weg gebracht, das nur parteitaktisch zu begreifen ist – als Beitrag zum Landtagswahlkampf der CSU in Bayern. Mit einer so dünnen Jahresbilanz auf zentralen Politikfeldern stand selten eine Bundesregierung da. Ihr mieses Erscheinungsbild passt freilich so gar nicht zu den ökonomischen Parametern des Landes: Reallohnzuwächse, Rekordbeschäftigung und eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit lassen die Steuereinnahmen in ungeahnte Höhen schnellen. Doch das hängt in erster Linie mit der guten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zusammen und, ja, auch mit den Agenda-Reformen aus der Schröder-Ära. Schwarz-Gelb lebt hier gewissermaßen von den rot-grünen Pionierarbeiten. Als Beleg sei der Bundeshaushalt genannt. Zwar wird die Schuldenbremse damit schon deutlich eher eingehalten als nach früheren Planungen. Nur mit Sparen hat das herzlich wenig zu tun. Dabei steht allein der Bund inzwischen schon mit mehr als einer Billion Euro bei den Banken in der Kreide. Umso stärker hätte diese Regierung Vorsorge für schlechtere Zeiten treffen müssen. Aber auch hier ist kaum etwas geschehen. Das ist schon deshalb unverständlich, weil die für Deutschland bislang glimpflich verlaufende Euro-Rettung immer noch unkalkulierbare Risiken birgt. Wenn man denn schon Bilanz ziehen will, dann eher mit einem Satz, den Merkel gebrauchte, als sie noch Oppositionsführerin im Bundestag war: “Deutschland wird unter Wert regiert.”
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau Telefon: 0355/481232 Fax: 0355/481275 politik@lr-online.de