"DER STANDARD"-Kommentar: "Alles Gauner! Alles Gauner?" von Conrad Seidl

Das Bild, das Martinz Co geprägt haben, färbt auf das ganze System ab – Ausgabe vom 26.7.2012

Wien (ots) – Schuldeinsicht, gar Reue sieht anders aus: Kärntens bisheriger ÖVP-Chef Josef Martinz hat am Mittwoch gestanden, dass die Machenschaften rund um den Hypo-Verkauf rechtlich als Untreue zu werten sind – auch die illegale Parteifinanzierung musste er zugeben. Dabei hat er wohl noch im Augenblick seines Rücktritts gedacht, dass er seinerzeit das Beste für sein Land getan hat. Und dass nur böswillige Juristen das anders sehen, weil sie Gesetze eben ernster nehmen als das ein Politiker wie er eben tut. Auch die Sache mit der Parteifinanzierung dürfte das Gewissen von Herrn Martinz nicht allzu sehr belastet haben: Es war ja wohl zum Besten der Partei, das Geld im Kuvert entgegenzunehmen. Das machen ja alle so. Wirklich? Man ist leider geneigt, das zu vermuten: Wenn der freiheitliche Landesobmann Uwe Scheuch unbestritten und unbestreitbar Parteispenden als “part of the game” bezeichnet hat, dann passt das in das Bild, das man sich schon immer von der Politik gemacht hat. Dabei ist nicht erheblich, ob die einzelnen Handlungen strafbar sind, es ist auch nicht erheblich, ob die einzelnen Politiker objektiv Amtsmissbrauch betrieben haben oder ob sie sich bei all dem so unschuldig und im Dienste der guten Sache gefühlt haben, wie Herr Martinz das getan hat. Damit müssen sich die Gerichte befassen – gut, dass sie es tun. Aber es geht nicht nur um wahrscheinlich unrechtmäßig ausbezahlte und als Bargeld in Parteikassen umgeleitete Beträge. Erheblich ist, was für ein Bild bei den Bürgern entsteht. Es ist ein Bild, an dem Politiker aller Couleurs mitgemalt haben, ein Bild, das zu Recht oder zu Unrecht als Maßstab für die Betrachtung des Politischen herangezogen wird und das jeden kleinen Gemeinderat unter Generalverdacht stellt. Landesräte und Minister sowieso. “Alles Gauner!”, denken viele Wähler und wenden sich ab. Alles Gauner? Bürger und Bürgerinnen wenden sich ab, obwohl die meisten Politiker anständig sind. Misstrauisch müsste man ergänzen, dass sie sich schon deshalb anständig verhalten, weil sie gar keine Gelegenheit haben, an rechtswidrigen Handlungen mitzuwirken. Weil sie gar nicht in Versuchung kommen, weil es die Versuchung in ihrem Fall gar nicht gibt. Lange Zeit ist es den Freiheitlichen gelungen, sauber zu wirken – mit der Macht kam die Versuchung, mit der Versuchung der Skandal. Man weiß (zumindest bisher) nichts von Versuchungen, die es für die wenigen Grünen in Entscheidungspositionen gegeben hat. Sie könnten zumindest bis zum Beweis des Gegenteils als wirklich saubere Politiker, ihre Partei als die wirklich saubere Partei in Parlamenten und Regierungen gelten. Die Aufdecker in den Reihen der Grünen – Gabriela Moser und Peter Pilz im aktuellen Untersuchungsausschuss – bemühen sich redlich, Skandale aufzuarbeiten und Sauberkeit zu propagieren. Das hilft – zumindest bisher – wenig. Auch untadelige Politiker, auch um Sauberkeit bemühte Parteien leiden unter dem verheerenden Bild, das von der Politik entstanden ist. Wenn sie Pech haben, werden die Aufdecker dann sogar noch für die von ihnen aufgezeigten Missstände mit verantwortlich gemacht. Dreck bleibt auch an dem kleben, der ihn wegräumt. Und Politiker wie Herr Martinz meinen weiterhin, ihrer Partei gedient zu haben. Mit seinem Austritt hat er das nun wirklich getan.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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