DER STANDARD-Kommentar: "Noch eine Partei der Tüchtigen" von Conrad Seidl

“Stronachs ideologische Versatzstücke zeigen mehr Widersprüche als Programmatik”; Ausgabe vom 28.09.2012

Wien (ots) – Man würde so etwas ja gerne glauben: 20 Jahre rackern und sparsam leben, alle Überschüsse brav sparen und dann den Rest seines Lebens von den Zinserträgen bestreiten können. So sieht die ökonomische Unabhängigkeit aus, die Frank Stronach am Donnerstag allen Österreichern in Aussicht gestellt hat – ein Heilsversprechen aus einer anderen Welt. Es stammt aus der Welt des Rentenkapitalismus, in dem Couponschneider – Dividenden wurden früher gegen Abgabe eines Coupons ausbezahlt – ein gutes Auskommen haben; vorausgesetzt, sie verfügen über ein entsprechend großes Wertpapierdepot. Ein Durchschnittsverdiener kann so ein Depot nicht einmal mit sehr erfolgreichen Wertpapierspekulationen anhäufen. Stronachs Rechenbeispiel geht allenfalls für Leute auf, die eine gute Business-Idee haben, diese umsetzen und nach 20 Jahren Kasse machen. Aber das gelingt selbst in Amerika nur einigen tausend Unternehmensgründern. Und diese haben – entgegen dem gerne gepflegten Mythos – in der Regel auch nicht als Tellerwäscher angefangen, sondern ihr Startkapital in Form von Bildung und Darlehen von daheim mitbekommen. In diesem Sinn ist Frank Stronach eine echte Ausnahme: Als Immigrant hat er wirklich ganz unten angefangen, er kann bewegend von dem am eigenen Leib verspürten Hunger erzählen. Er war tüchtig – und er hatte das Glück des Tüchtigen. Merkwürdig ist, dass Stronach meint, dass der Erfolg, den er sich selbst erarbeitet hat, beliebig vervielfältig werden könnte. Und dass sich die eigene Erfolgsstory als politisches Programm lesen ließe. Das tut sie nicht: Was der Herr Milliardär als “Neue Werte für Österreich” zu vermarkten versucht, ist eine Mischung aus anekdotenhaft erzählten Lebensweisheiten à la: “Der Erfolg des Lebens kann nur gemessen werden daran, wie glücklich man ist. Es ist leichter, glücklich zu sein, wenn man das Geld hat.” Ergänzt wird es um Schlagworte wie “Weniger Verwaltung, mehr Leistung!” – wobei Stronach verspricht, er wolle “die Verwaltung zivilisiert abbauen, nicht mit der Motorsäge”. Oder: “Ich möchte von niemandem dominiert werden. Die Frage ist: Wie können wir die Ketten der Dominanz durchtrennen?” Man merkt: Stronach und sein Team haben viele gute Anregungen zusammengetragen. Die Idee mit der Mitarbeiterbeteiligung könnte aus der christlichen Soziallehre stammen (im Familienbetrieb von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl wurde sie schon vor Jahren umgesetzt). Die Kritik an den Banken und ihrer Macht könnte geradewegs aus einem Attac-Papier kopiert worden sein. Die Forderung nach Beseitigung von Steuerprivilegien klingt nach Sozialdemokratie. Und wenn Stronach Transparenz fordert, dann spricht geradezu ein Vertreter der Grün-Bewegung aus ihm. Der dick unterstrichene Begriff “Fairness” wendet sich wohl an freiheitliche Wähler. Aber macht das schon ein Programm für eine halbwegs umsetzbare Politik aus? Nein, im Gegenteil: Am Donnerstag hat sich eine Partei der ideologischen Beliebigkeit vorgestellt, die ihren Führerkult mit Versatzstücken aus anderen Programmen zu behübschen versucht. Das ist erlaubt – aber es muss sich in langen Diskussionen auf Umsetzbarkeit abklopfen lassen. Und Stronach hat sich bisher als ein schlechter, unduldsamer Diskutant erwiesen.

Rückfragehinweis:
   Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445 

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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