"DER STANDARD"-Kommentar: "USA brauchen neuen Sieg Obamas" von András Szigetvari

Setzt sich der Präsident im Steuerstreit durch, wäre das ein Paradigmenwechsel – Ausgabe vom 28.12.2012

Wien (ots) – Symbolisch hat Präsident Barack Obama die Amerikaner bereits auf die harten Zeiten, die auf das Land zukommen, eingeschworen. Obamas Rede nach seiner Wiederwahl im November enthielt eine Liebeserklärung an seine Töchter, die sich als ein Appell an die Nation lesen lässt: “Sasha und Malia, ich bin stolz auf euch”, sagte der Präsident, “aber ich sage euch: Ein Hund ist genug.”

Tatsächlich sieht es aus, als müssten die Amerikaner alle Hoffnungen darauf begraben, dass ihr Lebensstandard nach fünf Krisenjahren 2013 wieder steigen wird. Ohne verspätetes Weihnachtswunder droht in den USA im kommenden Jahr das größte Sparpaket der Nachkriegszeit in Kraft zu treten. Die Kürzungen und Steuererhöhungen summieren sich auf mehr als 600 Milliarden Dollar. Sie werden das Land in eine Rezession zurückwerfen und in Europa und Österreich zu Wachstumseinbußen führen. Trotzdem birgt der Streit über die “fiscal cliff” eine Chance. Erstmals nach über einem Jahrzehnt könnte Obama den Konservativen nämlich die Themenführerschaft bei Fragen über die Rolle des Staates in der Wirtschaft und beim Streit über Verteilungsgerechtigkeit entreißen. Die Amerikaner stehen hohen Steuerquoten und einem größeren Staatseinfluss in der Wirtschaft traditionell skeptisch gegenüber. Allerdings hat in der Amtszeit von George W. Bush junior ein selbst für US-Verhältnisse radikaler Rückzug der öffentlichen Hand stattgefunden: So wurden in der Bush-Ära die Steuern in fast allen Einkommensklassen gesenkt, wobei die größte Entlastung Spitzenverdienern (ab 400.000 Dollar Jahresgehalt) zugutekam. Die Besteuerung von Kapitalerträgen und Dividenden wurde auf den niedrigsten Stand seit 1945 gedrückt, für Erbschaften wurden großzügige Freibeträge geschaffen. Als Ergebnis dieser Politik ist die Steuerquote seit dem Jahr 2000 von mehr als 30 auf 24 Prozent der Wirtschaftsleistung gefallen. Kein anderes westliches Industrieland verlangt von seinen Bürgern einen derart geringen Beitrag zum Staatshaushalt. Dabei stehen die Vereinigten Staaten im kommenden Jahrzehnt vor zwei Herausforderungen: Die Infrastruktur des Landes, besonders das Straßen und Schienennetz, bedarf dringend größerer Investitionen, um nicht völlig zu verfallen. Zugleich wird die Regierung etwas gegen die steigende Verschuldung unternehmen müssen, Investoren werden nicht ewig geduldig bleiben. Einsparungen und Investitionen sind ohne Steuererhöhungen nicht finanzierbar. Die Vorschläge Obamas zur Umschiffung der Fiskalklippe sehen vor, dass die Steuerlast für die von Bush entlasteten Topverdiener ab 2013 wieder ansteigt. Damit wird sich die Einstellung der Amerikaner nicht grundlegend ändern. Aber es wäre ein symbolisch wichtiger Schritt: Seht her, die Steuern können steigen, ohne dass die Welt untergeht! Das wäre eine wichtige Lektion für die kommenden Jahre, in denen die Kämpfe um den Haushalt sich weiter zuspitzen werden und gleichzeitig ein politischer Dämpfer für die Argumente der republikanischen Hardliner in der Tea Party. Nebenbei würde die Maßnahme dem Haushalt 1200 Milliarden Dollar Mehreinnahmen bis 2022 bringen. Die Chancen, dass Obama eine Diskursverschiebung gelingt, stehen gut: Der Präsident muss nicht um seine Wiederwahl fürchten. Im Gegensatz zu den Republikanern hat er wenig zu verlieren.

Rückfragehinweis:
   Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445 

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