DER STANDARD-Kommentar: "Schmieds Reifeprüfung" von Michael Völker

“Rückschlag für die Unterrichtsministerin: Die Zentralmatura wird verschoben”; Ausgabe vom 05.06.2012

Wien (ots) – Es ist ein Scheitern, auch auf politischer Ebene. Positiv daran ist immerhin, dass Claudia Schmied dieses Scheitern einsieht, dass sie es, wenn auch nur indirekt, eingesteht und daraus die Konsequenzen zieht: Die Zentralmatura, ein Renommierprojekt der Unterrichtsministerin, wird verschoben, muss verschoben werden. Die standardisierte Reifeprüfung wird doch nicht 2014 starten, sondern erst 2015. Das gesamte Projekt war zu wenig gut vorbereitet – auf allen Ebenen. Das Anliegen war politisch schlecht kommuniziert, es wurde zu wenig erklärt, es wurde zu wenig Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet. Die Gegner wurden nicht an Bord geholt, sie wurden vor den Kopf gestoßen. Die Zentralmatura war auch in der Sache selbst schlecht vorbereitet, das hat sich an den Schulstandorten gezeigt. Lehrer, Schüler und Eltern waren verunsichert. Jetzt kann man zwar auch die Auffassungsgabe, die Flexibilität und die grundsätzliche Bereitschaft mancher Lehrer hinterfragen, aber wenn sie nicht wissen, was sie unterrichten sollen, wie sie die Schüler vorbereiten und wie sie abschließend die Arbeiten benoten sollen, dann ist da ganz grundsätzlich etwas in der Kommunikation schiefgelaufen. Viele Einwände waren auch von der Boshaftigkeit jener geprägt, die ganz prinzipiell gegen die Zentralmatura sind, weil sie von Gleichmacherei sprechen. Letztendlich war aber davon auszugehen, dass auch jene Lehrkräfte an der Zentralmatura scheitern würden, die dem Projekt konstruktiv und aufgeschlossen gegenüberstanden. Das musste auch Claudia Schmied einsehen, die etliche Schulstandorte besucht und mit den Betroffenen ernüchternde Gespräche geführt hatte. Die Zeit war zu knapp, die Vorbereitung durch das Bifie, das Bundesinstitut für Bildungsforschung, offenbar zu sorglos. Das Chaos, das durch politischen Bestemm angerichtet worden wäre, wäre nicht zu rechtfertigen gewesen. Schlussendlich hätten das die Maturanten ausbaden müssen. Für Schmied ist das bitter. Schmerzlich klingt auch das Triumphgeheul jener, die in der Vergangenheit massiv gegen das Vorhaben gearbeitet haben und nun dessen Verschiebung bejubeln. Ihnen ging es nicht um eine bessere Vorbereitung, sondern um die Sache an sich. Dass am selben Tag in ganz Österreich alle Maturanten mit identischen, zentral vorgegebenen Aufgabenstellungen konfrontiert würden, war ihnen ein Dorn im Auge. Sie fürchteten noch schlechtere Lernerfolge. Nicht für das Leben würde dann gelernt, sondern für einen standardisierten Test – unbrauchbares Wissen. Die Skeptiker sind aber auch jene, die auf Änderungen generell allergisch reagieren. Mit einer vereinheitlichten Matura, die vom Wohlwollen der Beteiligten getragen wäre, könnte allerdings mehr Objektivität und Gerechtigkeit, eine bessere Vergleichbarkeit und auch eine bessere Vorbereitung in die Schulen Einzug halten. Profiteure wären Schüler wie Lehrer. Ob Schmied selbst das als Unterrichtsministerin noch erleben wird, ist ungewiss. Sie ist angeschlagen. Die schlechte Vorbereitung und die ungeschickte Kommunikation liegen in ihrer politischen Verantwortung. Und wenn sie angesichts der Veränderungsphobie im Bildungssystem, dem generell bildungsfeindlichen Klima im Land und der ausschließlich ideologisch ausgerichteten politischen Argumentationslinien resigniert, man könnte es ihr nicht verdenken.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .