Gegner der EU-Sparpolitik blieben bisher wichtige Antworten schuldig? – Ausgabe vom 21.5.2012
Wien (ots) – Der neue französische Präsident Francois Hollande sorgt für frischen Wind. Gut zu beobachten war das beim G-8-Gipfel in Camp David: Plötzlich sind es nicht nur mehr die Amerikaner, die Vorbehalte gegen die Sparpolitik Angela Merkels anbringen, sondern auch Franzosen und in gedämpfteren Tönen sogar Italiener. Die Hegemonie der “Wir müssen nur sparen, und alles wird gut”-Rhetorik ist zu Ende. Doch wer die deutsche Kanzlerin isoliert im Eck stehen sieht, irrt. Die Europäische Zentralbank, der Währungsfonds und die Mehrzahl der EU-Staaten stehen weiter zu ihrem Sparkurs. Noch schwerer wiegt, dass die Kritiker ihres Kurses, zu denen auch Ökonomen wie Nobelpreisträger Paul Krugman zählen, es sich zu einfach machen. Sie suggerieren, staatliche Wachstumsförderung werde die Krise beenden. Doch die Probleme in der Eurozone reichen so tief, dass nicht erkennbar ist, wie Konjunkturprogramme nachhaltig helfen sollen. Das Grundproblem Griechenlands, Portugals, Spaniens und Italiens ist nämlich nicht die öffentliche Verschuldung. Die Schuldenkrise des Staates ist Symptom für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Privatwirtschaft in den genannten Ländern. Unternehmen und Arbeitnehmer sind nicht produktiv genug für die Globalisierung und dafür, den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Italiens und Griechenlands Unternehmen haben allein in den vergangenen fünf Jahren ein Fünftel ihres Weltmarktanteils verloren, Spaniens Firmen elf Prozent. Dieses Problem ließ sich dank billiger Eurokredite lange kaschieren. Doch es war eine Party auf Pump: Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich die Nettoauslandsverschuldung (private wie öffentliche Verschuldung) Griechenlands, Italiens und Spaniens vervierfacht, jene Portugals verzehnfacht. Diese Entwicklung war nicht nur Schuld der Südländer, das Bild vom faulen Griechen ist Unsinn. Mitgespielt haben die EU-Osterweiterung, der Aufstieg Chinas, fehlende Anpassungen in der Wirtschaft. Doch Fakt ist, dass das auf Kredit gebaute Modell ausgedient hat. Die Befürworter einer Wachstumsstrategie konnten bisher keine Antworten darauf geben, wie sie die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Südens verbessern wollen. Konjunkturprogramme schaffen Jobs. Aber wie sollen sie helfen, Managementkulturen ganzer Unternehmenssektoren zu ändern und neue Nischen für Industriebetriebe zu finden? Zudem zählten Spanien, Portugal und Griechenland in den vergangenen 40 Jahren zu den Profiteuren von EU-Förderungen. Die Gelder haben ihnen geholfen, den Anschluss an den Norden zu finden. Doch irgendwann waren genug Straßen gebaut. Die Förderpolitik in den vergangenen 15 Jahren war nicht mehr nachhaltig. Wodurch sollte sich das ändern? Ein anderer Vorschlag der Wachstumspropheten lautet, Überschussländer wie Deutschland sollten mehr konsumieren. Die Ungleichgewichte in der EU würden sich dann schon auflösen. Aber wer sagt, dass die deutschen Konsumenten spanische und nicht chinesische Waren kaufen? Richtig ist, dass der Sparkurs in den Krisenländern, für den Merkel wesentlich einsteht, bisher keinen Erfolg gebracht hat. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass es nicht klug ist, wenn etwa Spanien inmitten der Rekord-Jugendarbeitslosigkeit vier Milliarden Euro an Bildungsausgaben streicht. Doch dieses Wissen allein ist noch lange keine Alternativstrategie.
Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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