DER STANDARD – Kommentar: "Es lebe der Proporz" von Alexandra Föderl

SPÖ und ÖVP streiten um Posten und damit um die Absicherung ihrer Pfründe. (Ausgabe vom 2.6.2012)

Wien (ots) – Die nächste Nationalratswahl ist für Politiker näher, als es die Bürger wahrnehmen. Eineinhalb Jahre vor der Nationalratswahl streiten SPÖ und ÖVP um Posten. Vordergründig geht es um Besetzungen von der Nationalbank über die Asfinag und die Volksbanken AG bis zum Verfassungsgerichtshof. Tatsächlich wird um die Sicherung von Pfründen gekämpft – über die Zeit nach dem angepeilten Wahltermin 2013 hinaus. Das heißt: die Verfestigung des in Österreich üblichen Proporzdenkens und die Verankerung der Sozialpartner in der österreichischen Realpolitik. Es tobt ein regelrechter Kleinkrieg zwischen den Koalitionären. Bei näherer Betrachtung fühlt man sich an Sandkasten-Spiele erinnert: So will Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) partout das Mandat von Arbeiterkammer-Präsident Werner Muhm im Generalrat der Nationalbank nicht verlängern. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Muhm ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist. Um Muhms Abgang zu rechtfertigen, wurde auch Bernhard Felderer, dem langjährigen Chefs des Staatsschuldenausschusses, der Sessel vor die Tür gestellt. Man wirft den obersten Schuldenwächter hinaus, um dem Kanzlervertrauten eins auswischen zu können. Dann ruft just Franz Vranitzkys ehemaliger Kabinettschef Max Kothbauer, nunmehr Vizepräsident der Nationalbank, in einem Presse-Gastkommentar Fekter dazu auf, Muhm in dem Gremium zu belassen, weil “er einer der wichtigsten wirtschaftspolitischen Fachleute der Sozialdemokratie ist und das Vertrauen des Ballhausplatzes hat”. Warum werden für dieses Gremium nicht unabhängige Experten wie Universitätsprofessoren bestellt, sondern Vertreter von Sozialpartnern wie Anna Maria Hochhauser (Wirtschaftskammer), August Astl (Landwirtschaftskammer), Dwora Stein (ÖGB) und Markus Beyrer (Industriellenvereinigung)? Die Vertreter der Banken und Unternehmen im Generalrat sind Rot und Schwarz zuzuordnen. Es geht nicht darum, die Qualifikation der Personen infrage zu stellen, sondern es geht um Bestellungsprinzipien. Das ist nur ein Vorgeplänkel für die Neubesetzung der Spitzenposten in der Nationalbank selbst. Weil die Verträge von Ewald Nowotny und seiner Stellvertreter im Sommer 2013 auslaufen, sollen die Entscheidungen auf heuer vorgezogen werden. Dabei ist auch der ehemalige Finanzstaatssekretär Reinhard Lopatka (ÖVP) im Gespräch. Weitere Schauplätze: Die Besetzung von Posten in Vorstand und Aufsichtsrat bei der Österreichischen Volksbanken AG und bei der ÖBB sollen ÖVP-nahe Manager für einen – nach österreichischer Lesart – parteipolitischen Ausgleich sorgen. Bei der Asfinag soll die Spitze weiter proporzmäßig besetzt bleiben. Wer einen Verfassungsrichter nachbesetzen darf, darüber wird heftig gestritten. Das alte Proporzdenken feiert fröhliche Urständ. Protektion schlägt Qualifikation. Das System, dass die eigenen Leute versorgt werden müssen, schadet aber dem Land und fördert die Politikerverdrossenheit. Jörg Haider hatte als Oppositioneller Postenschacher und Korruption der großen Koalition angegriffen. Durch den Untersuchungsausschuss kommt ans Licht, dass die FPÖ es nicht anders gemacht hat und ihre Günstlinge Millionen kassierten. Aber auch die sogenannten Altparteien demonstrieren gerade, dass sie wenig gelernt haben und ihre Pfründe weiter absichern wollen.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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