DER STANDARD-Kommentar "Es ist nicht genug" von Lisa Nimmervoll

“Über die Kleinheit der österreichischen Uni-Politik und ihre fatalen Folgen” – Ausgabe 21.12.2012

wien (ots) – Politik gilt als besonders prädestiniertes Spielfeld für die Kunst des Kompromisses. Gelingt ein solcher, dann haben zumindest zwei Beteiligte etwas zum Freuen. Der Gesetzesentwurf für die Implementierung einer “kapazitätsorientierten, studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung” alias “Studienplatzfinanzierung” ist so ein (partei-)politischer Kompromiss, zu dem sich SPÖ und ÖVP ächzend und stöhnend durchgerungen haben – aber für diese Version des Gesetzes gilt das, was der deutsche Schriftsteller Peter Maiwald so formuliert hat: “Zum Unglück der Politiker wollen die Fakten mit ihnen keine Kompromisse machen.” Die, die davon betroffen sein werden, haben nämlich nichts zum Freuen – im Gegenteil. Es ist ein Gesetz mit schweren Fehlern, die den Unis und Studierenden enorm zusetzen werden, weil vor lauter Rücksichten auf irgendwelche Parteibefindlichkeiten die Sache aus den Augen geraten scheint. Anders ist nicht erklärbar, warum die Regierung, wissend, dass die großen Problemstudienbereiche schon jetzt teilweise universitäre Desasterlandschaften sind, nicht ehrlich darangeht, diese Zustände wirksam zu verbessern. Stattdessen werden einige Unis mit Studienplatzfinanzierung sogar mehr Studierende aufnehmen müssen (!) als zuletzt – ohne entsprechend aufgestocktes Budget und obwohl es schon bisher inakzeptable Betreuungsverhältnisse gab. Wem nutzt das – außer zwei Parteien, die in der Bildungspolitik heilfroh sind über jede kleine Einigung, weil die großen Nummern nicht und nicht gelingen? Faktum ist, dass eine ehrliche, funktionierende Studienplatzfinanzierung, die die Kapazitäten der Universitäten auch ernst nimmt als definierbare begrenzte Gefäße, die nicht unbegrenzt befüllt werden können (sehr wohl aber politisch vergrößerbar sind!), weil es sie sonst irgendwann sprengen könnte, mehr Geld kosten würde. Das aber gibt es nicht. Zumindest nicht für die Unis. Darum ist dieser weder an Kapazitäten noch an Studierenden orientierte Finanzierungstorso unehrlich, und er wälzt die Folgekosten auf die Unis ab. Dabei sind die Rektoren der Regierung ohnehin schon in fast staatstragender Art entgegengekommen und haben sich vorläufig damit abgefunden, dass die Fakten – es fehlt nach wie vor viel Geld im Hochschulsystem, wenn die Besten die Messlatte sein sollen und nicht nur der anspruchslose Status-quo-Anspruch exekutiert werden soll – wenig zählen im politischen Kompromissgeschäft. Das Ergebnis sind dysfunktionale Gesetze. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, vor seinem Wechsel in die Bundesregierung selbst Rektor der Uni Innsbruck, sagte zur leidigen Budgetsituation: “Natürlich ist es nie genug. Das wissen wir alle.” Ja. Das wissen wir alle. Schon recht lange. Zu lange für ein System wie das Universitätssystem, das von der inneren Logik her Fortschritt repräsentiert, Dynamik, Vorwärtsdrang, Erkenntniszuwachs, Neugier, Aufklärung der finsteren Winkel in der Welt. Die finanzielle, aber auch strukturell-organisatorische Festkettung der österreichischen Unis auf einem, gelinde gesprochen, suboptimalen Level ist da eine fatale Zukunftsberaubung. Oder politisch institutionalisierte Kleinheit. Ja, das, was die Universitäten von der Politik bekommen, ist nicht genug. Nicht nur in finanzieller Hinsicht. “Natürlich” ist das nicht. Es ist gemacht. Von der Politik.

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