Mit oder ohne Quote wird es die neue Generation in Spitzenpositionen schaffen (ET 29.12.2012)
Wien (ots) – Im gerade angelaufenen Kinofilm Paradies: Liebe von Ulrich Seidl nehmen sich Frauen, was sie wollen: Liebhaber, für die sie bezahlen. Was bei Männern im allgemeinen akzeptiert wird, löst Unbehagen aus, wenn es um Frauen geht und die Umkehr von Geschlechterrollen eindrücklich vor Augen geführt wird. Genauso ist es im (Berufs-)Alltag. Nach Meinung von Spiegel Online war im zu Ende gehenden Jahr ein “Aufmarsch der Powerfrauen” zu registrieren. “Ein Blick auf die Gewinnerliste zeigt: 2012 waren die Frauen auf dem Vormarsch, in den Konzernen wie in der Politik.” Als Gewinnerin wird Christine Lagarde ausgezeichnet mit folgender Begründung: “Mit Eleganz und Köpfchen, Charme und Chuzpe hat sich die Chefin des Internationalen Währungsfonds 2012 als Stimme der Vernunft in der Euro-Krise profiliert.”
Bei Männern wird Aussehen und Hirnleistung nur selten hervorgehoben. Charme ist eine jener Eigenschaften, mit denen Frauen häufig beschrieben werden, genauso wie emsig. Für stutenbissig oder hysterisch sind keine männlichen Entsprechungen im deutschen Wortschatz gebräuchlich. Okay, sexy kommt auch häufiger bei Frauenbeschreibungen vor.
Wer es in einen Spitzenjob geschafft hat, muss sich dererlei Fragen gefallen lassen: Wie kommt man als Frau in eine solche Position? Macht Macht erotisch? Wer kümmert sich angesichts Ihrer beruflichen Belastungen um die Kinderbetreuung? Kein Mann – in welcher Position immer – ist mit derartigen Fragen und Zumutungen konfrontiert. Der Kampf um das Binnen-I wird seit Jahren teilweise mit Verbissenheit geführt. Auch wir in der Standard-Redaktion haben darüber Diskussionen, teilweise angestoßen durch Beiträge von Leserinnen und Lesern. Gendergerechte Sprache ist das eine; wichtiger ist indes, das Bewusstsein für – durch Sprache ausgedrückte – Diskriminierungen zu schärfen. Hinter den vom Spiegel in einer Titelgeschichte bejubelten “Alpha-Mädchen” steckt eigentlich eine Abwertung. So wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel oft als “Kohls Mädchen” bezeichnet.
Frauen nicht nur in Spitzenpositionen müssen sich dafür rechtfertigen, wenn sie keine Kinder haben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema, das vor allem Frauen umtreibt. Egal, ob es fünf Prozent sind, wie die Frauenministerin behauptet, oder 17 nach Angaben des Familienministers: Der Anteil der Väter, die in Karenz gehen, ist im internationalen Vergleich im unteren Durchschnitt.
Dazu kommt, dass in puncto Lohngerechtigkeit Österreich im Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums auf dem unrühmlichen 116. Platz liegt, nur 19 Länder haben eine Gehaltsschere, die noch weiter aufgeht. Die seit Anfang 2011 gesetzlich verordnete Einkommenstransparenz hat keine großen Verbesserungen bewirkt. Frauen sind zu geduldig.
Dabei stimmt die im Spiegel getroffene Feststellung, die Frauen der neuen Generation seien “pragmatischer als ihr Mütter, ehrgeiziger, zielstrebiger, gebildeter als die Männer”. Deshalb werden es viele in den nächsten Jahren nach oben schaffen – mit oder ohne Frauenquoten. Welche Ängste diese Entwicklungen auslösen, zeigen Postings unter Berichten über Bestellungen von Frauen in Führungspositionen. Erst wenn Frauen in Spitzenpositionen keine besondere Aufmerksamkeit mehr zuteil wird und gleiches Gehalt für gleiche Leistung kein Thema mehr ist, dann ist es geschafft.
Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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