DER STANDARD-Komemntar "Rufmord in eigener Sache" von Gerald John

Die Regierungsparteien tun ihr Möglichstes, um als Vertuscher dazustehen

Wien (ots) – Zehn Monate: So lange ist es her, dass die Regierung ein “Transparenzpaket” angekündigt hat, um Licht ins schummrige Milieu der heimischen Innenpolitik zu bringen. Am Dienstag gab es diesbezüglich ein wahres Bravourstück zu vermelden. Zum ersten Mal trat eine koalitionäre Arbeitsgruppe zusammen, die – jetzt aber wirklich! – Nägel mit Köpfen machen soll. Beim Beseitigen lästiger Antikorruptionsbestimmungen vor ein paar Jahren war die Regierung ein kleines bisschen schneller. In dem Tempo wird das nichts mehr mit der ersehnten Imagekorrektur bis zur nächsten Wahl. Aus dem Eck der Nehmer und Nepotisten wollen die Koalitionsparteien herauskommen – doch im politischen Alltag agieren sie so, dass ihnen möglichst wenige Wähler diese Läuterung abnehmen. Rufmord in eigener Sache betreiben SPÖ und ÖVP nicht nur mit der lähmend langsamen Umsetzung längst fälliger gesetzlicher Regeln für Parteispenden und anderer Finanzpraktiken in der Politik. Auch im Streit im und um den Untersuchungsausschuss arbeiten die Regierungsvertreter derzeit eifrig daran, um als Vertuscher dazustehen. Von Beginn an streuten Rote und Schwarze Sand ins Getriebe, versuchten unliebsame Themen wegzuverhandeln und lästige Abgeordnete rauszuschießen. Nur widerwillig haben sie das Unvermeidbare akzeptiert – und bemerken nun leidvoll, dass der Ausschuss auch noch Erfolg hat. Systematische Scheinrechnungen zur Parteienfinanzierung, Telekom-Geld für Abgeordnete: Tatsächlich hat das Gremium bislang unbekannte Unsitten aufgedeckt. Dass hierzu schon alle Fragen beantwortet sind, glauben ernsthaft wohl nicht einmal diejenigen SPÖVPler, die das Thema Telekom nun aus Parteiinteresse und Koalitionsräson abdrehen wollen. Natürlich gibt es für Regierungspolitiker Erquicklicheres, als sich von Oppositionsparteien, die das Schauspiel am liebsten bis zum Wahltag ausdehnen würden, vorführen zu lassen. Doch da muss die Koalition, sofern ihr etwas an der eigenen Glaubwürdigkeit liegt, durch. Wer uneingeschränkte Aufklärung propagiert, darf nicht gleichzeitig versuchen, Zeugen, Fragen und Vernehmungsdauer zu beschränken. Ein Verdächtiger kann vor Gericht ja auch schwer sagen: “Jetzt reichtx{2588}s!” Die Möglichkeit dazu hätten SPÖ und ÖVP dank ihrer Mehrheit im Parlament sehr wohl – beim jähen Liquidieren von Untersuchungsausschüssen blicken sie auf eine unselige Tradition zurück. Doch das Thema Korruption geht den Wählern mittlerweile derart an die Nieren, dass es sich nicht mehr ohne weiteres unter den Teppich kehren lässt. Ein gewaltsames Ende des Ausschusses würde Rot und Schwarz vielleicht die eine oder andere böse Überraschung ersparen, doch der Generalverdacht, unter dem sie fortan in den Augen der Öffentlichkeit stünden, wäre kein geringeres Übel. Schon das aktuelle Abwehrgefecht gegen weitere Zeugen in der Telekom-Affäre ist ein Schuss ins koalitionäre Knie. In der daraus resultierenden Sondersitzung des Nationalrats konnte die Opposition ihre Angriffe von neuem lancieren – nun eben vor laufenden Kameras. Wehleidiges Jammern über die gemeinen Pilze und Petzners hilft da nicht weiter. Gegen das Totschlag_argument, dass der U-Ausschuss ausschließlich ein ungezügeltes Politspektakel eitler Selbstdarsteller sei, spricht nach den ersten Monaten eines: die Erfolgsbilanz der Aufdecker.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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