Allgemeiner Behindertenverband fordert Tempo bei der Umsetzung des EU-Schwerbehindertenausweises

ABiD-Vorstand beklagt: „Der bisherige Zeitplan der Europäischen Kommission ist nicht ambitioniert genug!“

Der Vorstand des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland e.V. setzt sich dafür ein, dass der EU-weite Schwerbehindertenausweis schneller als bisher geplant eingeführt wird. Wie die Vorstandsmitglieder Marcus Graubner, Klaus Heidrich und Stefan Jauernig erklären, sei der momentane Zeitplan der EU-Kommission nicht ambitioniert genug: „Dass man erst Ende 2023 einen Vorschlag unterbreiten will, ist deutlich zu spät. Immerhin ist mit solch einer Vorlage ja noch keine Umsetzung verbunden. Diese muss dann erst in einem aufwändigen Verfahren unter Mitwirkung aller Mitgliedsländer geschehen, was nochmals Jahre dauern könnte. Menschen mit Handicap warten aber schon jetzt viel zu lange auf einheitliche Rechte in der Europäischen Union, sie hinkt den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention massiv hinterher, weshalb der ABiD nun auch die deutsche Politik auffordert, sich in Brüssel für ein beschleunigtes Verfahren einzusetzen und dabei EU-Beitrittskandidaten mit ins Boot holt. Am Beispiel der Ukraine zeigt sich, wie schwierig die Harmonisierung der unterschiedlichen Verständnisse von (Schwer-)Behinderung ist“, so die Vorstände.

Und der Pressesprecher des Verbandes, Dennis Riehle, ergänzt hierzu: „Bisher basiert die Gewährung von möglichen Nachteilsausgleichen von Menschen mit Schwerbehindertenausweis im europäischen Ausland auf dem Prinzip Kulanz. Wenn ein deutscher Inhaber des Dokuments beim Urlaub in Tschechien, Österreich oder Dänemark die Bescheinigung in kulturellen oder Freizeiteinrichtungen vorlegt, kann er nur auf die Gutmütigkeit hoffen, denn es besteht kein Anspruch, dass der deutsche Behindertennachweis dort anerkannt wird. Und umgekehrt ist es genauso. Dass damit auch der hehre Grundsatz zur ungehinderten Teilhabe und Freizügigkeit in der EU noch immer durch Barrieren eingeschränkt bleibt, scheint angesichts des Zusammenwachsens von Europa fatal. Wenn wir behinderten Menschen auf unserem Kontinent auch Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten der ersten Verträge weiterhin keine einheitlichen Rechte zusichern können, mag dies angesichts der Komplexität des Themas zwar verständlich, darf aber nicht dazu führen, sich auf dem Status Quo auszuruhen und das Gesetzgebungsverfahren zu verzögern. Behindertenrechte müssen Vorrang erhalten“.

Nach Ansicht des ABiD sollte der künftige Schwerbehindertenausweis auf den qualitativ hohen Maßstäben desjenigen aus Deutschland basieren: „Sicherlich wird man sich zunächst auf eine gemeinsame Definition verständigen müssen, wann ein Mensch im europarechtlichen Sinne als ‚behindert‘ gilt. Auch wird zu prüfen sein, ob man das abgestufte Verfahren im Sinne eines Grades der Behinderung in der gesamten EU als verbindlich ansieht und entsprechend auch das Antragwesen, die amtsärztliche Prüfung und den Entscheid auf der Basis der Versorgungsmedizinischen Grundsätze der Bundesrepublik für Europa vereinheitlichen kann. Denn diese Standards wären die Bedingung, dass am Ende auch in allen Staaten vergleichbare Voraussetzungen geschaffen würden, die in der Konsequenz das Anrecht auf verbindliche und über die ganze EU hinweg gültige Leistungen desselben Umfangs festschreiben. Es wird insofern auch wichtig sein, dass in allen Mitgliedsstaaten amtsärztliche Strukturen geschaffen werden, die auf dem gleichen Niveau überprüfen. Denn es muss garantiert sein, dass ein behinderter Mensch in Rom, Paris, Berlin, Warschau oder Wien am Schluss mit seinem Antrag zum selben Ergebnis kommt und darauf vertrauen kann, dass sein Handicap in verschiedenen Ländern nicht unterschiedlich bewertet wird“, formulieren ABiD-Vorstand und Sozialberater Riehle ihre Bitte an die Politik.

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