"DER STANDARD"-Kommentar: "Willkommen im wirklichen Leben" von Andreas Stockinger

Die von Politik und Medien geforderte Elektromobilität wird so nicht stattfinden. (Ausgabe vom 9.3.2012)

Wien (ots) – Autos, die leise durch die Städte surren, ganz ohne schädliche Abgase in die Umwelt zu pusten. Der böse Verbrennungsmotor, er ist nicht mehr. Glückliche Menschen überall, gesunde Natur. Im Jahr des Herrn 2020. Oder spätestens 2030. Wie jede Utopie hat dieses Bild etwas Berückendes, wie jede Utopie hat sie mit der Wirklichkeit wenig gemein. Denn wahr ist vielmehr: Die von Politik und Medien – speziell in Europa – vehement herbeigeforderte Elektromobilität wird so nicht stattfinden. Und das liegt nicht etwa an der Renitenz der Techniker oder am Unwillen der Industrie. Die wird von der Politik in Brüssel schon vor sich hergetrieben, was ja auch gut so ist – solange man nur vorschreibt, wohin man mit dem Umweltschutz will, aber nicht wie – Stichwort Energiesparlampen. Nein, die Realität heute, nachdem einige Jahre intensivster Forschung und Entwicklung vergangen sind und Unsummen investiert wurden, sieht ernüchternd aus. Es sind mittlerweile ja einige echte Elektrofahrzeuge auf dem Markt, die Reichweiten um die 180 oder 200 Kilometer versprechen. Im Alltag ist die Enttäuschung dann groß: Da sinkt die Reichweitenanzeige oft schneller, als man das Gaspedal drücken kann, übrig bleiben real gefahrene 40, 50, 60 Kilometer. Dann das stundenlange Laden der Batterien, für das manchmal die ganze Nacht nicht ausreicht; und die Tücken der Elek-trochemie. Das in Aussicht gestellte Schnellladen wiederum verkürzt den Lebenszyklus der Batterien drastisch. Zu den elektrochemischen Pro-blemen zählt auch die geringere Energiedichte. Gegenüber flüssigen Treibstoffen (künftig idealerweise biogene Kraftstoffe zweiter, dritter Generation, Sprit aus Methanisierung etc.) wirkt stets der Faktor 1:10. Das heißt: Sollten Elek_troau_tos irgendwann auf reale Reichweiten von 300 Kilometern kommen, sind bei Verbrennungsmotoren schon 3000 drin. Mit ein Grund, warum die in China lauthals ausgerufene elektromobile Zukunft schon wieder abgesagt ist. Nächster Punkt: Rohstoffe. Für die E-Mobilität benötigt man Seltene Erden wie Lithium. Zielstrebig haben hier die Chinesen den Großteil der Konkurrenz mit Billigpreisen ausgeschaltet. Und schon drosselt das kommunistische Riesenreich die Exporte und treibt die Preise hoch. Man begäbe sich also mittelfristig lediglich von einer Abhängigkeit in die nächste, von den unberechenbaren Ölpotentaten im Mittleren Osten zu den Rohstoffhegemonen im Reich der Mitte. Weitere Probleme sind drastisch steigende Fahrzeugkosten bei dank der Sparpakete sinkender Kaufkraft – und die Herkunft der Energie. Windräder, Solarkraftwerke? Sicher nicht. Sicher schon: Atomstrom, Kohle, Öl. Ökobilanz: schauderhaft. Am Genfer Au_tosalon ist gut ablesbar, was uns tatsächlich erwartet: ein Mix aus unterschiedlichen Antriebskonzepten. Bei Verbrennungsmotoren gibt es noch erhebliche Effizienzreserven, Mischantriebe (Verbrennungs- und E-Motoren, Batterien daheim aufladbar) werden eine breite Nische finden, die Brennstoffzelle hat ebenfalls enormes Potenzial, alternative Treibstoffe auch, und für manche Zwecke wird 2020 das reine E-Mobil ideal sein. So hat die Sache doch was Gutes: Das intensive Nachdenken über die Zukunft der individuellen Mobilität, deren Attraktivität rund um den Globus nicht nur ungebrochen ist, sondern sogar noch dramatisch zunimmt, fördert etliche gute Ideen zutage. Willkommen im wirklichen Leben.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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